News

Laudatio Prix de Soleure 2025

Autor:in

Bruno Deville, Laila Stieler, Alex Kühni

Datum

30. Januar 2025

Tags

Share
PdS_Laudatio

«Immortals» von Maja Tschumi

Wir haben uns für einen wilden Film entschieden.

Wir gehen an einen Ort, der inzwischen oft übersehen wird – blutiger Bilder aus Bagdad müde. Dieser Film findet einen anderen Weg, findet Bilder, Charaktere und Geschichten, die wir so noch nicht gesehen haben.

Zu Beginn des Films hielten wir sie für einen Jungen mit ihrem Hoodie, ihrem kurzen Haar, ihrem festen Gang. Dann aber öffnet sie ihr Gesicht zu dem einer Frau, einer schönen, verletzlichen, verletzten, trotzigen Frau. Um unbehelligt aus dem Haus gehen zu können, wird aus der Frau Milo der Mann Milo. Ein Geschöpf zwischen den Geschlechtern, das einfach nur frei sein will.

Milo verteidigt ihre Identität, weil sie nicht anders kann. Ihr Leben ist in Gefahr und dennoch entwischt sie dem strengen Elternhaus Tag für Tag. Sie besucht ihre Freundin, um Pasta zu kochen, um am Ufer des Tigris zu sitzen, sie sind einander auf eine Weise zugetan, die nah und bedingungslos ist. Wenn du eine Stadt wärst, welche würdest du gerne sein? Sollen wir bleiben oder gehen? Solche Fragen stellen sie einander. Sie sorgen sich. Viele Menschen sind gestorben, viele Menschen sterben, solche Menschen wie Milo, die anders sind, anders leben wollen, noch dazu in einer Stadt wie Bagdad, solche Menschen sterben schnell, sind gefährdet. Und so bangen auch wir um sie. Wird sie es schaffen, wird sie überleben, wird sie sich anpassen, wird sie so bleiben, wie sie ist? Kann sie den Weg, den ihre Seele ihr zeigt, weiter gehen?

Auch Khalili – gezeichnet von einem Trauma – ist so ein Aussenseiter. Er findet zu sich selbst, indem er durch ein Objektiv schaut, indem er während des Aufstands dokumentiert, was um ihn herum passiert, mit GoPro, Handy und Kamera in der Hand. Er will der Welt zeigen, was in seinem Land geschieht. Er wird verletzt, er steht auf, greift erneut zur Kamera, er wird wieder verletzt, steht wieder auf. Das Dokumentieren wird für ihn zum Akt des Widerstands. Schliesslich wird er verheiratet, das scheint das Ende. Er verstaut die Kamera im Rucksack, den Rucksack im Schrank. Dann aber gibt es wieder einen Aufstand, das Fernsehen berichtet. Khalili öffnet die Schranktür und holt den Rucksack raus. Auch er kann nicht anders. Genauso wie Milo.

Der Mut der beiden, eigentlich der drei Protagonisten, macht Mut. Sie sind keine Helden, aber sie sind heldenhaft. Der Kampf um die innere Freiheit und der äussere Kampf gegen Unterdrückung, Bevormundung und Einflussnahme sind in diesem Film auf eine so besondere Weise miteinander verwoben, eben wild und frei wie die Protagonist:innen. Innerer und äusserer Aufstand werden eins.

Dank der nicht-linearen Erzählweise tauchen wir ein mitten in den Konflikt zwischen den Demonstrierenden und den Sicherheitskräften. Wir erleben hautnah die Wut der Aufständischen und den scharfen Beschuss gegen sie. Eine intensive emotionale Erfahrung, vergleichbar mit dem jungen irakischen Saxophonisten, der trotz Tränengas und Schüssen mitten im Geschehen nicht aufhört, zu spielen.  

Die Nichtlinearität der Erzählung, die Mischung von Bildern aus sehr unterschiedlichen Quellen, der Realismus der Situationen, kombiniert mit fiktiven Szenen, sowie die Arbeit an der immersiven Tonspur tragen zur mutigen künstlerischen Handschrift dieses Films und zur Empathie mit den Figuren bei.

Ästhetik und Narration verbinden sich und die Filmschaffenden lassen uns auf diese Weise teilhaben an der Hoffnung ihrer Protagonist:innen, lassen uns ahnen von der Hoffnung einer Generation, eines ganzen Volkes.

Die Jury vergibt den «Prix de Soleure» 2025 an die Regisseurin Maja Tschumi und an die Produktionsfirma Filmgerberei GmbH für ihren Film «Immortals».

Premiere

Premiere

Premiere
verbleibend Noch nicht verfügbar Nicht mehr verfügbar

Présente du 12 jan au 14 jan 2020

Live
Veranstaltungen
Die neuen Filme des Tages
Nur noch wenige Stunden verfügbar

Vorfilm

Zusammen mit

Vorfilm

Zusammen mit

Vorfilm